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Moin (die zweite)

Das kräftige "Moin", mundartlich für: "Guten Morgen allerseits", ist ein Universalgruß, der in der ganzen Norddeutschen Tiefebene Anwendung findet und überall gefahrlos eingesetzt werden kann. Man hört ihn in Hamburg und Umgebung zur Verwirrung der Fremden und Zugereisten auch zu jeder anderen beliebigen Tageszeit Außerdem ist "Moin" ein Erkennungszeichen der Hamburger im Ausland, soll heißen außerhalb der Stadtgrenzen, sei das nun in Harburg oder Haiti. Im Gegensatz zu dem — von wem eigentlich? — als "Hamburger Gruß" deklarierten "Hummel-Hummel - Mors-Mors", mit dem sich nur alberne Touristen, angetrunkene Skandinavier und freundlich lächelnde Japaner als Ortsfremde outen.

Betritt man ein Geschäft oder eine Kneipe, sollte man unbedingt darauf achten, die Inhaber oder Kellner zu grüßen. Meist ist das "Moin", das man zurückbekommt, auch schon eine einzigartig wortreiche Antwort. Manchmal wird einfach nur die Hand zum "Dithmarscher Gruß" angehoben, der den mit zwei Fingern rhythmisch zustechenden Handbewegungen der schwarzen Rapper nicht unähnlich ist, allerdings in Superslowmotion durchgeführt wird.

Die Hamburger lassen es morgens ohnehin gern etwas langsamer angehen, eine Sitte, die noch aus den Zeiten stammt, in denen der ehrbare Hamburger Kaufmann zunächst mal ausgiebig frühstückte, bevor er dann gegen zwölf zur Börse schritt, um dort bis eins seine erfolgreichen und gewinnbringenden Geschäfte zu tätigen.

 

Die Hamburger schätzen es nicht, von oben herab behandelt zu werden, und lassen es einen unfreundlichen Menschen sofort spüren, daß man einen Lapsus begangen hat. Ein kräftiges "Moin", falls die Mittagsstunde noch nicht überschritten ist, ein vernehmliches "Moin" nach Überschreiten derselben und ein zurückhaltendes "Moin" nach Einbruch der Dunkelheit wirken hier Wunder. Wenn man ihnen respektvoll begegnet, sind die Hamburger ein durchaus freundlicher Menschenschlag. Trotzdem sollte man darauf achten, zunächst einmal Distanz zu wahren. Auch wenn der Hamburger das Gesprächsangebot annimmt, ist das noch lange kein Freibrief, ihn sofort weiter mit Worten zuzuschütten und ihn dadurch unwiderruflich zu verärgern.

Jung-Hanseaten dagegen ist es viel zu albern und zu langweilig, diesen alten Hamburger Gruß zu wiederholen. Das überlassen sie ihren Freunden aus Reinbek oder Pinneberg. Sie ringen sich vielleicht noch ein schlappes oder cooles "Moin" ab, aber an der Tagesordnung sind eher "Yo, Hi, Alter, Tach", mit der mindestens seit "Magic" Jordan absoluten Pflichtbegrüßung des "Give me Five", ob man nun ein Basketballcap trägt oder eine Footballmütze, ob man Inline-Skating betreibt, das nichts mit "drinnen" zu tun hat, oder ob man lieber das gute alte Skateboard über die Geländer prügelt.

Die Hamburger pauschal, Wolfgang Thon, Fischer Verlag